Füttern im Sommer: Worauf kommt es an?
Kühe sind Hochleistungssportler, ihre Wohlfühltemperatur liegt dabei zwischen 0 und 15 °C. Aus diesem Grund haben unsere Kühe in den Ställen zu dieser Jahreszeit bereits Hitzestress und jeder Milchviehhalter stellt sich die Fragen: Wie geht man am besten mit Hitzestress bei Kühen um? Wie lassen sich die Auswirkungen von Hitze auf die Kühe reduzieren, ohne dass Abstriche in der Tiergesundheit und beim Leistungsniveau gemacht werden müssen? Die Fütterung ist dabei der Dreh- und Angelpunkt.
Jeder, der Kühe hält, kennt den Ärger, den lang anhaltende sommerliche Temperaturen im Stall verursachen. Gerade lief noch alles rund, man melkt so viel Milch wie schon lange nicht mehr. Die Kühe glänzen im Fell, es gibt keine Probleme mit Lahmheiten und Co. Die Kühe werden zudem gut tragend. Kurzum, die Arbeit macht großen Spaß und als Milchviehhalter freut man sich darüber, morgens in den Stall zu kommen. Mit steigenden sommerlichen Temperaturen dreht sich allerdings der Wind. In den ersten Tagen mit höheren Temperaturen denkt man noch: „Mensch, die Kühe machen das ja diesmal richtig gut mit“, doch leider bleibt es noch weitere zwei Wochen heiß und die bis vor Kurzem gute Tiergesundheit verschlechtert sich von Tag zu Tag. Die Landwirte ärgern sich über das dünnere Kotbild bei ihren Tieren, es gibt mehr Kühe mit plötzlichem Milchverlust und Pansenfermentationsstörungen, die Zellzahl steigt an und im schlimmsten Fall gibt es Ärger mit Coli-Mastitiden und akuten Pansenacidosen. Ein warmer Sommer kostet einen Milchviehbetrieb nicht nur Tiergesundheit, Arbeitszeit und Spaß an der Arbeit, sondern er kostet den Betrieb vor allem auch viel Geld. Dabei geht es je nach Auswirkungen des Hitzestresses schnell um mehrere 10.000 € bei einer 100 köpfigen Kuhherde. Was ist also zu tun, um besser durch den Sommer zu kommen? Wie lässt sich die Herde stabiler halten?
„Break-down-Phase“ des Stalls
Jeder Betrieb und jeder Kuhstall sind unterschiedlich. Viele Betriebe haben bereits hilfreiche Ventilatoren verbaut und können so die Auswirkungen von Hitzewellen zeitlich immer etwas weiter nach hinten schieben. In der Praxis lässt sich nämlich ganz klar feststellen, dass jeder Kuhstall seine eigene „Break-down-Phase“ hat. Was ist damit gemeint? Ein einfaches Beispiel: Der Kuhstall ist bereits 30 Jahre alt und die Wände sind geschlossen, er beinhaltet nur wenig Durchlüftung und keinerlei Ventilation. In einer Hitzewelle reagieren die Tiere bereits nach nur wenigen Tagen auf den Hitzestress. Im Vergleich dazu kann ein Stall, der offen ist und gleichzeitig über eine Ventilation verfügt, die Kühe manchmal bis zu zehn bis 14 Tagen auf einem guten Niveau halten, ohne nennenswerte Einbrüche in der Trockenmasseaufnahme und/oder im Tiergesundheitsbereich zu verzeichnen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die betriebliche Situation jedes Jahr aufs Neue zu evaluieren, um zu schauen, wo die übrigen Stellschrauben sitzen, Hitzestress im Kuhstall weiter zu reduzieren. Das Ziel ist es, die -Break-down-Phase“ möglichst Iange hinauszuzögern und auch bei sommerlichen Temperaturen gesunde, fitte Kühe zu melken.
Die Fütterung ist der Dreh- und Angelpunkt
In der Zusammenarbeit mit über 400 Milchviehbetrieben aus der gesamten DACH-Region stellte ich immer wieder fest, dass auch im Sommer die Fütterung der Dreh- und Angelpunkt für die Tiergesundheit ist. Betriebe steuern über ihre Fütterung aktiv mit, wie lange ihr Kuhstall bei Hitzestress es den Kühen ermöglicht, fit und gesund zu bleiben. Deshalb muss die tiergesunde und fachgerechte Fütterung auch bei Zeitmangel, Erntestress und allgemeiner Feldarbeit oberste Priorität bleiben. Die üblichen Schwachstellen bei höheren Temperaturen sind Fehlgärungen am Futtertisch und/oder an den Silostöcken. Die Einzelsilagen im Silostock müssen genau wie die Futtertischrationen deshalb täglich mehrmals überprüft werden. Das Argument: „Die Ration ist nicht warm“ ist nicht gültig, wenn man die Tiergesundheit stabil halten möchte, da bereits kleinste Fehlgärungen zu einer Schwächung des Immunsystems führen. Auch wenn die Trockenmasseaufnahme stabil und das Futter nicht merklich warm ist, kann es durch Fehlgärungen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Kühen kommen. Diese führen in erster Linie zu Pansenfermentationsstörungen, die wiederum schnell eine erhöhte Zellzahl nach sich ziehen.
Das bedeutet einerseits, dass man schon sieben bis 14 Tage zu spät ist, wenn die Trockenmasseaufnahme (TMA) messbar gesunken ist, und zweitens, dass besonders in Hochleistungsherden kein Weg an einer Stabilisierung durch stabilisierende Futterzusatzstoffe der Rationen vorbeiführt. Besonders frühzeitig sollte man beim Einsatz von Wasser die Ration stabilisieren, da der Zusatz von Wasser in der Ration das Nacherwärmungsrisiko stark erhöht. Ein gutes Fütterungscontrolling sorgt dafür, dass weitere Schwachstellen viel schneller auffallen. Dadurch fällt direkt auf, wenn die Erfolgskennzahlen sich verschlechtern. Gibt es zum Beispiel Probleme mit der Hygiene in den Kraftfuttersilos? Wie sauber sind die Futterschalen am Melkroboter? Wie sieht der Mischwagen von innen aus (BG-Vorschriften beachten!) Bleibt Futter auf den Schnecken im Futtermischwagen liegen, das über Tag warm wird und am nächsten Tag für ein noch höheres Fehlgärungsrisiko sorgt? Das Ziel eines regelmäßig durchgeführten Fütterungscontrollings ist dabei, alIe Schwachstellen direkt aufzudecken und nicht erst zu reagieren, wenn die Kühe bereits 2 kg TMA verloren haben und die Milchmenge beginnt zu sinken. Gerade im Hochleistungsbereich würde das nämlich bedeuten, dass man mehrere Wochen benötigt, um den alten Status quo wieder herzustellen. Das kostet Zeit und Geld.
Top Five für die Sommerfütterung
- Fütterungscontrolling ist auch im Sommer Priorität 1
- Die Rationen präventiv stabilisieren – nicht zu spät eingreifen
- Die Rationseckparameter an die hohen Temperaturen anpassen
- Fütterungszeiten anpassen
- Belegungsdichte bei den Abkalbern auf 70 % reduzieren (vor allem bei den Färsen)
Eckparameter an die Temperaturen anpassen
Im Sommer kann es zusätzlich – je nach Rationsgestaltung und Leistungsniveau (Achtung Rationen regelmäßig analysieren lassen) – sinnvoll sein, die Mineralfuttergaben um 10-15 % anzuheben. Viele Betriebe beobachten zudem bei höheren Temperaturen durch das Schwitzen der Kühe vermehrtes Harnsaufen in ihrer Herde und erhöhen dann in kleinen Schritten den Natriumgehalt über Viehsalz in der Ration. Aber Achtung: Auch zu hohe Natriumgehalte führen in der Praxis zu Harnsaufen, weshalb eine Erhöhung nur aufgrund von TMR-AnaIysen erfolgen sollte. In der Beratung wird mit eigenen Zielwerten gearbeitet. Die aktuellen DLG-Richtwerte funktionieren für Hochleistungsherden im Sommer nicht mehr. Eine zu schnelle Erhöhung verdünnt das Kotbild, weshalb auch hier ein gradliniges Beobachten der Herde notwendig ist, um die angesprochenen Maßnahmen korrekt durchzuführen.
Grundsätzlich kann es notwendig sein, die Eckparameter der Rationen gemeinsam mit dem Futterberater anzupassen, wenn man noch nicht sein eigener Fütterungsexperte ist. Je nach Höhe der TMA kann es zum Beispiel sinnvoll sein, die Rohfasergehalte in der Ration entweder anzuheben oder abzusenken. Auch hier ist es wichtig, dass man sich intensiv mit seinen Zahlen aus dem Fütterungscontrolling beschäftigt, um die richtigen (Fütterungs-)Entscheidungen zu treffen. Unnötig platzierte Rohfaser produziert durch den wärmeintensiven Rohfaserabbau im Pansen zusätzlichen Hitzestress, wohingegen bei geringer TMA oder stark gesunkener TMA bereits wieder zusätzliche Rohfaser entscheidend sein kann, um den Pansen am Laufen zu halten. Der Grat der optimalen Fütterung ist also besonders im Sommer sehr schmal und benötigt Fütterungs-Know-how, um alle Zielwerte weiter einzuhalten.
Das Futtertischmanagement
Neben Futterhygiene, Stabilisierung der Ration und Anpassung der Rationseckparameter spielt natürlich auch das Futtertischmanagement eine entscheidende Rolle, um mit der Herde gut durch den Sommer zu kommen. Es ist selbstverständlich, dass die Futterreste mindestens einmal am Tag entfernt werden. Der Futtertisch muss täglich sauber gemacht werden und sollte auch alle paar Wochen grundgereinigt werden. Auf vielen Betrieben hat sich durchgesetzt, dass bei Temperaturen über 25 °C erst abends gefüttert wird, weil die Kühe bei hohen Temperaturen nachts die Hauptfuttermengen aufnehmen. Früher gab es auch oft den Trend, die Ration zwei zu teilen, um das Nacherwärmungsrisiko zu reduzieren. Das macht nur auf wenigen Betrieben nachhaltig Sinn, weshalb auch hier eine geschmacksneutrale Stabilisierung mit Kaliumsorbat (ist als Einzelfutter dokumentationspflichtig) die bessere AIternative ist.
Was spricht gegen die Aufteilung der Ration auf zwei Mischungen zu unterschiedlichen Tageszeiten? Die geringeren Futtermengen führen zu einem leichteren Schwad am Futtertisch. Dieser lässt sich von den Kühen deutlich leichter selektieren. Das bedeutet wiederum, dass jede Kuh eine andere Ration frisst, wodurch Pansenfermentationsstörungen begünstigt werden. Zudem führt Futterselektion auch immer zu einer Reduktion der TMA, weil die Kühe Zeit beim „Suchen“ verlieren. Eine verringerte TMA wirkt sich ebenfalls negativ auf die Pansengesundheit aus.
Ohne Wasser geht es nicht
Es darf nie vergessen werden, dass auch das wichtigste Futtermittel stets überprüft und im Blick behalten werden muss. Ohne eine gute Wasseraufnahme und gute Wasserqualitäten kommt man nicht durch den Sommer. Nicht nur, weil bei fehlender Wasseraufnahme die Trockenmasseaufnahme sinkt (4-6 Liter Wasser pro kg TM-Aufnahme sind notwendig), sondern vor allem auch, weil schlechte Wasserqualitäten die Tiergesundheit gefährden. Aus diesem Grund sollte das Tränkewasser stets über Trinkwasserqualität verfügen – nicht nur im Sommer – und den Kühen mit einer hohen Durchflussgeschwindigkeit in einer sauberen Tränke rund um die Uhr zur Verfügung gestellt werden. Da Milchkühe den höchsten Wasserbedarf nach dem Melken haben, ist es sinnvoll, die Tränken so zu platzieren, dass die Kühe nach dem Melken leicht zur Tränke gelangen. Auch bei Wasserzugaben in die TMR dürfen bei der Wasserqualität keine Kompromisse eingegangen werden. Zwischenlagerung im Sommer stellt deshalb eine große Gefährdung für die Eutergesundheit dar und sollte unbedingt vermieden werden.
Fazit
Bereits bei Temperaturen von über 15 °C muss die TMR im Kuhstall genau im Blick behalten werden. Nur wenn ein gutes Fütterungscontrolling auch in den Arbeitsspitzen fortgeführt wird, hat man als Milchviehhalter die Chance, die Ration rechtzeitig anzupassen. Mit den richtigen Fütterungsentscheidungen lässt sich die „Break-down-Phase des Stalls während einer Hitzeperiode weiter hinauszögern. Das verbessert die Tiergesundheit und reduziert etwaige Folgeschäden.
Viel Erfolg und gesunde Kühe!
Deine Denise