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Einfach Füttern Blog

Futterselektion – der unsichtbare Fluch

Futterselektion – der unsichtbare Fluch​

Auf vielen Betrieben in der DACH-Region ist Futterselektion ein wichtiges Thema. Häufig wird die Futterselektion auf den Milchviehbetrieben allerdings nicht als Futterselektion wahrgenommen, weil die Betriebsleiter ihre eigene Herde jeden Tag am Futtertisch sehen und somit objektive Betrachtung fehlt. Dadurch kostet Futterselektion die Betriebe nicht nur Tiergesundheit in der Herde, sondern auch wirtschaftlichen Erfolg. Weshalb das so ist, darum geht es in dem nachstehenden Artikel.

In der praktischen Fütterung auf Milchviehbetrieben gibt es immer wieder das klassische Problem, dass die Milchviehration nicht die Milchmenge ermelkt, die sie laut Rationsberechnung erzielen sollte. Sowohl Tierärzte als auch Landwirte lernen in ihrer Ausbildung, dass es mindestens vier Rationen auf einem Betrieb gibt: die berechnete, die vorgelegte, die gefressene und die verdaute Ration. Erfahrungsgemäß sind die Diskrepanzen zwischen diesen vier Rationen oft der Grund für tiergesundheitliche Probleme in der Herde. Deshalb ist es wichtig, in der Beratung darauf hinzuwirken, diese Diskrepanzen zu minimieren, und weniger darin, die letzten Eckparameter in der Rationsberechnung nachzujustieren.

Die nicht bemerkte Futterselektion​

Ein großer Unterschied zwischen der gerechneten Ration und der gefressenen Ration – das ist schlussendlich die wichtigste Ration – liegt darin, dass viele Mischrationen von den Kühen sortiert werden können.
Diese oft unsichtbare Futterselektion führt zu unterschiedlichen Rationen für die Tiere. Jede Kuh frisst eine andere Ration. Die ersten Kühe am Futtertisch nach der Frischvorlage sortieren beispielsweise die Maissilage aus und lassen die längere Grassilage liegen. Färsen und rangniedrige Tiere fressen dann eher nachts oder zu Zeiten, an denen der Futtertisch nicht so voll durch andere Kühe belegt ist. Diese Tiere fressen dann einen höheren Anteil Grassilage als ursprünglich veranschlagt und erhalten vielleicht sogar weniger Kraftfutter, weil es in Pellets angeboten wird und ebenfalls bereits von den anderen Kühen rausgefressen wurde. So erhält am Ende – trotz Mischration – jede Kuh im Stall eine andere Ration und die Steuerung der Fütterung wird für den Milchviehhalter schwierig.

Lange Grassilage fördert die Futterselektionsmöglichkeiten am Futtertisch. Der Kot wird heterogen, weil jede Kuh eine andere Ration frisst.

Futterselektion ist teuer​

Dabei ist die Futterselektion ein großer Kostenblock und führt nicht selten dazu, dass dem Betrieb pro Jahr 20.000 bis 80.000 € Umsatz auf 100 Kühe fehlen. Weshalb ist das so? Futterselektion führt zu erhöhten pH-Wert-Schwankungen im Pansen und wirkt sich negativ auf die Tiergesundheit aus. Zudem steigen die Futterkosten durch eine verschlechterte Laktationspersistenz und die Trockenmasseaufnahme pro Kuh und Tag liegt hinter den Erwartungen.

Außerdem wächst die Herde in der Körperkondition auseinander und Landwirt und Tierarzt wundern sich darüber, weshalb die Altmelker zu dick werden. Futterselektion kann zudem zu Verdauungsstörungen und einer erhöhten Azidosegefahr führen. Auch die Klauengesundheit leidet, wenn die Ration am Futtertisch von den Kühen sortiert werden kann.

Es geht also nicht um fehlende Gesundheit und Geld, deren Verlust sich im direkten Zusammenhang bemerkbar macht, sondern um die Folgeschäden, die häufig der tatsächlichen Ursache nicht mehr korrekt zugeordnet werden können. Die Herausforderung besteht darin, dass Futterselektion nicht immer gleich aussieht. Aus diesem Grund lässt sich vor Ort nicht auf Anhieb erkennen, ob Futterselektion ein Problem ist. Sie kann unsichtbar sein.
Das kann zum Beispiel daran liegen, dass messbare Fütterungskennzahlen bisher noch nicht vollständig erfasst wurden und einem auch nicht immer bewusst ist, dass die schlechtere Einsatzleistung sich in ihrem vollen Umfang erst ein Jahr später bei den betroffenen Tieren bemerkbar machen wird.
Am einfachsten ist Futterselektion zu erkennen, wenn unaufgelöste Grasbälle auf dem Futtertisch liegen und direkt von den Kühen zur Seite geschoben werden. Auch lange Ladewagensilage, die sich überwiegend im Restfutter wiederfindet, kann leicht als Ursache für Futterselektion ausgemacht werden. Beides lässt sich auch von einem Laien schnell am Futtertisch monitoren.

Schwieriger wird es, wenn die Kühe zwar leichte Tunnel in die Ration am Futtertisch fressen, aber der Landwirt nicht genau weiß, welche Futterkomponente eigentlich von den Kühen sortiert wird.

Wie lässt sich „unsichtbare“ Futterselektion vor Ort feststellen?​

Aus meiner Sicht ist das die wichtigste Frage. Zunächst einmal muss die Situation genauer analysiert werden. Ist die Ration möglicherweise in sich schon so heterogen, dass man auch anhand von Schüttelboxergebnissen an drei Punkten am Futtertisch direkt feststellen kann, weshalb die Kühe an bestimmten Stellen des Futtertischs lieber fressen als an anderen? Sieht das Restfutter so aus wie das frisch vorgelegte Futter? Auch wenn man beides ausschüttelt, sollten kaum Unterschiede zwischen Frisch- und Restfutter festzustellen sein (1–2 %).

Wenn sich Unterschiede feststellen lassen, sollte zuerst der Mischvorgang mit dem Futtermischwagen genau unter die Lupe genommen werden. Füttert immer dieselbe Person? Wurde diese Person ausreichend geschult und nachgeschult? Wird die Ration genau beladen (Abweichung < 4 %)? Passt die Schnittlänge der Grassilage zur Schnittlänge der Maissilage? Sind die Messerplätze im Mischwagen alle besetzt, sind die Messer scharf? Wird ausreichend lange gemischt? Passt die Beladereihenfolge zur Ration? Wird nur mehlförmiges Kraftfutter am Futtertisch verfüttert? Diese Fragen sind gut dazu geeignet, der Ursache für die Futterselektion schnell auf die Spur zu kommen.

Manche Betriebsleiter tun sich schwer, die Futterselektion ihrer Kühe als wirkliches Problem anzuerkennen. Vielleicht auch, weil die Herde derzeit keine gesundheitlichen Probleme zeigt. Die Klauen sind in Ordnung, die Kühe werden gut tragend, die Frischmelker melken nicht ab und die Zellzahl liegt niedrig. An dieser Stelle sollte es helfen, den Betrieb auf die wirtschaftlichen Folgen einer bestehenden Futterselektion aufmerksam zu machen. Die Futterkosten steigen automatisch an, wenn die Kühe unterschiedliche Rationen fressen, weil die Kraftfuttereffizienz im Schnitt deutlich sinkt. Kühe, die beispielsweise hauptsächlich die Maissilage und das Kraftfutter aussortieren, können aus dem letzten Kilogramm Kraftfutter kaum noch Milch produzieren. Zudem verschlechtert sich die Laktationspersistenz, die Kühe fallen schneller von der Milch ab, wenn sie jeden Tag eine andere Ration fressen.

Das finale Ziel muss deshalb sein, dass alle Rationsparameter möglichst konstant sind. Die chemischen und die physikalischen. Die homogene Ration soll jeden Tag gleich zusammengesetzt sein und gleich gefressen werden. Neben den gleichbleibenden Schüttelboxergebnissen (max. 1–2 % Abweichung zwischen den Punkten am Futtertisch und zwischen Frisch- und Restfutter) sollte auch das Kotbild gleichmäßig sein und die Harnstoffwerte dürfen nicht mehr als um 20 ppm innerhalb eines Monats schwanken. Am Futtertisch fressen die Kühe die Ration gleichmäßig, es lässt sich kein Wühlen oder Tunnelfraß beobachten und es sind keine Grasbälle zu sehen. Ist die Ration frisch vorgelegt, kommen max. 50 % der Kühe aus der Herde zum Futtertisch. Sollten es mehr sein, ist dies wiederum ein Hinweis darauf, dass die Kühe sich die Ration am Futtertisch „aussuchen“ können. Aus diesem Grund sind voll besetzte Futtertische nicht das Zielbild.

Futterselektion bei den Trockenstehern zeigt sich besonders in den Kalbeverläufen. Die Streuung der Verläufe liegt hoch. Es gibt Mehrkalbinnen, die ohne Probleme kalben, und dann kommen wieder zwei Tiere, die so gar nicht rund laufen und mit Milchfieber und/oder Ketose zu kämpfen haben, ohne dass sich an der Ration offiziell etwas geändert hat.

Ein homogenes Kotbild lässt sich bei Kühen mit Voll-TMR-Fütterung nur erzielen, wenn die Kühe das Futter nicht sortieren können.

Was kann man gegen Futterselektion tun?​

Um eine homogene Mischung am Futtertisch zu erzielen, sollte darauf geachtet werden, dass jede neue Silage neue Anforderungen an die Mischzeiten und die Beladereihenfolge mit sich bringt. Aus diesem Grund muss bei jedem Futterwechsel kontrolliert werden, ob es zur erneuten Futterselektion kommt oder nicht.

Über die passende Häcksellänge der Grundfuttersilagen lässt sich Futterselektion am besten bekämpfen. Hier ist es sinnvoll, dass sowohl die Gras- als auch die Maissilagelänge auf die Gesamt-TMR abgestimmt werden, damit die Zielwerte in der Schüttelboxverteilung erreicht werden. Der Einsatz der PennState-Schüttelbox wird empfohlen. Andere Schüttelboxen liefern andere Ergebnisse und benötigen damit eigene zahlreiche Erfahrungswerte.

Bei einigen Futtertischmischungen ist es hilfreich, wenn der Ration Wasser beigemischt wird. Dabei darf die Ration nicht zu feucht werden (< 36 % TS-Gehalt), weil es sonst zu Futteraufnahmedepressionen kommen kann. Leider treten diese nicht direkt auf, sondern erst bei längerem Einsatz der zu nassen Ration, weshalb der Effekt oft nicht mehr richtig zugeordnet werden kann. Trotzdem darf er nicht übersehen werden.

Auch über den Vermahlungsgrad des Kraftfutters lassen sich die Ration und die Futterselektionsmöglichkeit ein stückweit steuern. Es ist wichtig, dass nur mehlförmiges Kraftfutter am Futtertisch verfüttert wird. Manche Betriebe verfüttern pelletiertes oder gekrümeltes Kraftfutter, beides lässt sich von den Kühen sehr leicht aussortieren und fördert somit sehr stark die Futterselektion am Futtertisch. Es kommt zu pH-Wert-Schwankungen im Pansen, die wiederum tiergesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Zudem verschlechtert sich die Kraftfuttereffizienz und die Ration wird für den Landwirt teurer. Häufig argumentieren Landwirte gegen mehlförmiges Kraftfutter, da es staubt. Hier lässt sich technisch eine Lösung finden – zum Beispiel über eine flexible Rohrverlängerung am Hochsilo. Zu beachten ist, dass der Vermahlungsgrad nicht zu fein ist. Auch das kann zu Problemen führen – je nach Einsatzmenge und Geschwindigkeit der Ration.

Fazit

Ohne die richtigen Fragen und Daten geht es nicht. Hilfreich ist eine Checkliste mit allen Fragen zu diesem Thema für den nächsten Betriebsbesuch. So wird nichts übersehen und gemeinsam mit dem Landwirt schult man sein eigenes Auge, um noch sensibler gegen Futterselektion vorzugehen. Denn Futterselektion ist ein unsichtbarer Fluch in der Milchviehfütterung, der in der Praxis leider sehr häufig übersehen wird, obwohl er sehr viel Geld kostet (20.000 bis 80.000 Euro weniger Umsatz auf 100 Kühe).
Dabei gilt die Formel: Homogene Mischung = homogenes Kotbild = homogene Körperkondition = gute Laktationspersistenz = gesunde und leistungsfähige Kühe.

Checkliste:

Wie lässt sich Futterselektion in der Praxis erkennen?

Viel Erfolg und gesunde Kühe!

Deine Denise

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