Der optimale Vermahlungsgrad des Kraftfutters
Die meisten Milchviehrationen in der DACH-Region enthalten Kraftfutter. Die Nährstoffdichte der Rationen wird somit durch das Kraftfutter maßgeblich mit gesteuert. In der Praxis spielt der Vermahlungsgrad des Kraftfutters bislang eher eine untergeordnete Rolle. Unpassende Vermahlungsgrade können allerdings Futterselektion begünstigen und kosten die Milchviehbetriebe pro Jahr und 100 Kühe häufig mehr als 30.000 € durch eine herabgesetzte Milchleistung und eine schlechtere Tiergesundheit.
Plötzliches Auftreten von Durchfall in der Herde ohne Fiebererscheinung, Einbruch der Trockenmasseaufnahme und Milchleistung um einige Kilos sowie vermehrtes Auftreten von Klauenproblemen können Folgen eines Kraftfutters sein, dessen Vermahlung nicht auf die Ration abgestimmt ist.
In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Kühe sich mit Verdauungsstörungen auseinandersetzen, der Landwirt kann sich jedoch nicht erklären warum.
Die Qualität des Grundfutters wurde mehrmals überprüft und ist einwandfrei, es lässt sich kein Schimmel finden, auch eine Nacherwärmung des Futters ist ausgeschlossen. Der Futtermischwagen wird regelmäßig sorgfältig gereinigt und ist frei von Ablagerungen, die sich lösen könnten, und auch am Futtertisch passt die Hygiene. Verdauungsstörungen können viele Ursachen haben, jedoch zeigt die Beratungspraxis, dass sehr häufig eine mangelnde Kraftfutterqualität als mögliche Ursache übersehen wird. Eine mangelnde Qualität kann durch Schimmelbildung, instabiles Kraftfutter aber eben auch durch den falschen Vermahlungsgrad oder Klumpen im Kraftfutter verursacht werden.
Weshalb ist der Vermahlungsgrad für die Tiergesundheit wichtig?
Ein klassisches Beispiel aus der Praxis ist, dass die Fütterung noch bis vor einigen Tagen gut lief. Die TM-Aufnahme und die Milchleistung lagen hoch, die Herde machte gesundheitlich einen guten Eindruck, das Kotbild war stabil. Doch plötzlich kommt es zu Problemen: die TM-Aufnahme fällt um 1-2 kg, auch die Milchleistung bricht um 2-3 kg ein und der Harnstoffwert schwankt. Jeden Tag kommen zudem weitere Kühe mit Durchfall hinzu, die Tiere haben jedoch kein Fieber. Auch wenn die Herde sich scheinbar nach ein paar Tagen wieder stabilisiert, sind mittelfristig die Folgen des Einbruchs weiterhin spürbar: die Klauengesundheit verschlechtert sich, es müssen vermehrt Verbände angelegt und Klauenklötze verklebt werden. Manchmal kommt noch eine verringerte Fruchtbarkeitsleistung hinzu. Nicht selten, aber oft unbeachtet, liegt die Ursache hierfür im Vermahlungsgrad des Kraftfutters.
Kein pelletiertes Kraftfutter am Futtertisch verfüttern
Kraftfutter sollte mehlförmig am Futtertisch verfüttert werden, da gekrümeltes und pelletiertes Futter auf dem Futtertisch leichter durchfallen kann und die Kühe das Kraftfutter somit leichter aus der Ration aussortieren können. Die Futterselektion am Futtertisch nimmt dadurch zu. Aber auch gemahlenes Kraftfutter kann die Futterselektion fördern, wenn dieses bspw. zu grob gemahlen ist und nicht an den Silagen haften bleibt oder Kraftfutter-Klumpen in der Ration zu finden sind.
Durch Futterselektion kommt es zu zusätzlichen pH-Wert-Schwankungen im Pansen, die sich wiederum negativ auf die Tiergesundheit auswirken. Zudem steigen die Futterkosten, da die Kraftfuttereffizienz abnimmt. Nicht selten verursacht Futterselektion Umsatzverluste von 20.000 bis 80.000 € pro 100 Kühe und Jahr.
Insbesondere im Rapsextraktionsschrot sind sehr oft Klumpen zu finden, die durch den Herstellungsprozess bedingt sind. Hier kann die Größe der Klumpen von wenigen Millimetern bis mehrere Zentimeter Durchmesser variieren. Oftmals sind die Klumpen auch sehr hart und können sich nicht während des Mischens im Futtermischwagen auflösen, selbst wenn der Mischration Wasser zugesetzt wird. Sie lassen sich dann schnell am Futtertisch wiederfinden. Die Kühe haben hier leichtes Spiel und können diese einfach selektieren. Zudem zeigt sich bei separater Analyse der Klumpen und des mehlförmigen Anteils in der gleichen Charge, dass sich die Nährstoffgehalte unterscheiden. Kühe, die die Klumpen bevorzugt fressen, kommen somit zu einer heterogenen Nährstoffaufnahme. Das kann neben der oben genannten Futterselektion ebenfalls zu Verdauungsstörungen führen.
Den Vermahlungsgrad bei jeder Lieferung überprüfen
Um schnell und effektiv die Vermahlung und die Verteilung der Partikelgrößen des Kraftfutters zu bestimmen, empfiehlt sich der Einsatz eines Siebkastens. Diesen gibt es in einer Ausführung mit drei und mit fünf Fraktionen. Der Siebkasten mit drei Fraktionen unterteilt das Kraftfutter in die Partikelgrößen < 1 mm, 1-2 mm und > 2 mm, der Siebkasten mit fünf Fraktionen in die Partikelgrößen < 0,5 mm, 0,5—1 mm, 1—2 mm, 2—3 mm und > 3 mm. Ist kein Siebkasten vorhanden, so reicht zur groben Kontrolle/Erhebung eines Status quos der Einsatz eines Küchensiebs (Maschenweite 2 mm). Das Küchensieb ersetzt jedoch nicht den Siebkasten, da keine Korrelation zwischen den Schüttelergebnissen des Siebkastens und denen des Küchensiebs festgestellt werden konnte. Jedoch ist die Kontrolle mit dem Küchensieb besser als keine Kontrolle. Beim Küchensieb reicht eine Einwaage von 100—200 g Kraftfutter.
Bei beiden Controlling-Instrumenten sollte auf folgende Parameter geachtet werden (Checkbox): wie hoch ist der Anteil feiner 2 mm) und wie hoch der Anteil grober (> 2 mm) Kraftfutterpartikel in der Mischung? Finde ich halbe oder ganze Mais-/Getreidekörner? Finde ich Klumpen in meinem Rapsextraktionsschrot? Sind andere Futterkomponenten, wie Pellets vom vorherigen Kunden, oder auch Fremdkörper im Futter zu finden? Wie hoch ist der Spelzenanteil? Letzteres ist insbesondere bei Getreidemischungen zu beachten, da die Praxis gezeigt hat, dass der Spelzenanteil teilweise sehr hoch ist. Hier kauft man teuer Rohfaser ein.
Auch Farbe, Geruch und Mischgenauigkeit spielen eine wichtige Rolle
Neben der Vermahlung sollten auch weitere wichtige Eigenschaften wie Geruch, Farbe und Mischgenauigkeit bei jeder Kraftfutterlieferung überprüft werden. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass farbliche Unterschiede zwischen den Kraftfutterchargen z.B. auf variierende Raps- oder Körnermaisanteile in der Mischung zurückzuführen sind. Grundsätzlich können Rückstellproben und Bilder jeder Charge den Vergleich zwischen den Lieferungen und die Ursachenfindung erleichtern, wenn nach einer neuen Kraftfutterlieferung etwas schiefläuft.
Auch bei der eigenen Mahl- und Mischanlage sollte die Mischgenauigkeit regelmäßig kontrolliert werden. Eine regelmäßige Kontrolle der Mischgenauigkeit sorgt dafür, dass das Kraftfutter so am Futtertisch ankommt wie geplant und Ärger mit schwankender Futteraufnahme und Harnstoffwerten sowie heterogenem Kotbild ausbleibt. Ein Einbruch der Leistung und Tiergesundheit kann auch durch ungenaues oder fehlendes Einmischen von Mineral- und Zusatzstoffen in das Kraftfutter verursacht werden. Hängt das dünne Kotbild der Herde damit zusammen, dass Natrium nicht richtig eingemischt wurde und die betroffenen Kühe zu viel Salz aufnehmen? Es fallen Kühe auf, die Harn saufen und Holz nagen. Ist hier der Natrium- und Phosphorgehalt in der Mischung ggf. geringer bzw. höher als deklariert? Entmischen sich die Futterkomponenten im Big Bag während des Transports? Eine Analyse der Inhaltsstoffe kann hierüber Aufschluss geben. Die Mischgenauigkeit bzw. die Entmischung lässt sich durch Probenziehung an unterschiedlichen Stellen in der Charge überprüfen und sollte mithilfe von Indikatorparametern durchgeführt werden.
Optimaler Vermahlungsgrad für den Betrieb
Die Frage nach dem optimalen Vermahlungsgrad kann pauschal nicht beantwortet werden. So wie es eine zu grobe Vermahlung gibt, kann das Kraftfutter auch zu fein vermahlen sein. Je feiner die Vermahlung, desto höher ist die Angriffsfläche für die Pansenmikroben. Dadurch steigt die Verdaulichkeit des Kraftfutters an, es kommt zu stärkeren pH-Wert-Schwankungen im Pansen, wodurch die Gefahr einer Pansenacidose oder von Pansenfermentationsstörungen ansteigt. Grundsätzlich muss die Vermahlung so gewählt werden, dass sie zu den anderen Komponenten und der Geschwindigkeit der Ration gut passt und darauf abgestimmt ist. Ist die Ration grundsätzlich schnell durch bspw. den Einsatz von sehr kurz gehäckselten Maissilagen, sollte in den Sommermonaten die Vermahlung gröber gewählt werden. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist, dass der TS-Gehalt der Grassilage sich deutlich auf die Rationsgeschwindigkeit auswirkt und auch hier die Vermahlungsgrade mit dem richtigen Fütterungswissen angepasst werden müssen.
Vermahlungsgrad wechseln
Ein schlecht geplanter Futterwechsel kostet Geld und Milch, zudem hat er eine signifikante Auswirkung auf die Tiergesundheit. Bei der Umstellung auf einen feineren Vermahlungsgrad muss deshalb – wie bei jedem Futterwechsel – sehr vorsichtig vorgegangen werden. Bei Rapsextraktionsschrot hat sich gezeigt, dass die Futterselektion deutlich abnimmt, wenn von einem Rapsextraktionsschrot mit Klumpen auf ein gemahlenes Rapsextraktionsschrot ohne Klumpen umgestellt wird. Jedoch kann zusätzliches Mahlen je nach Ölmühle kostspielig werden und einen Aufpreis von bis zu 2 €/dt nach sich ziehen. Es gibt auch Ölmühlen, die keinen Aufpreis verlangen, da sie das Rapsextraktionsschrot ohnehin für die Pelletherstellung mahlen müssen. Hier gilt es, beim Lieferanten nachzuhaken. Alternativ kann das Rapsextraktionsschrot auch mit der betriebseigenen Mahl- und Mischanlage oder durch eine Lohn-Schrotmühle zusätzlich gemahlen werden. Hier muss jeder Betrieb individuell entscheiden, ob die Mehrkosten sich lohnen. Auf jeden Fall gilt es darauf zu achten, dass die Mühlen eine gute Qualität liefern.
Bei der Umstellung auf einen feineren Vermahlungsgrad auf Folgendes achten:
- Bleibt der Kot der Kühe stabil?
- Bleibt die Trockenmasseaufnahme stabil?
- Bleibt die Milchmenge stabil?
- Bleiben die Milchinhaltsstoffe stabil?
Fazit
Die Tiergesundheit und damit auch die Milchleistung lassen sich nur nachhaltig erfolgreich entwickeln, wenn die Fütterung der Kühe rund läuft. Hierzu zählt auch, dass der Vermahlungsgrad des Kraftfutters zur Ration passt. Das Kraftfutter sollte bei jeder Lieferung kontrolliert werden. Die Überprüfung der Vermahlung lässt sich einfach und schnell mit einem Siebkasten Oder einem Küchensieb überprüfen. Auch weitere Qualitätsmerkmale wie der Geruch und die Farbe sollten berücksichtigt werden. Welcher Vermahlungsgrad für einen Betrieb optimal ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab, da jede Herde individuell ist. Bei der Umstellung auf eine feinere Vermahlung sollte immer kleinschrittig mit dem richtigen Fütterungswissen vorgegangen werden, denn jeder Futterwechsel ist eine Herausforderung für die Kühe.
Viel Erfolg und gesunde Kühe!
Deine Denise
Checkliste Vermahlungsgrad Kraftfutter
- Optik (Farbe) in Ordnung?
- Geruch in Ordnung?
- Überwiegt der feinere oder gröbere Anteil an Kraftfutterpartikeln?
- Ganze oder halbe Mais-/Getreidekörner zu finden?
- Klumpen im Rapsextraktionsschrot?
- Spelzenanteil in der Getreidemischung?
- Fremdkörper oder andere Futterkomponenten, wie Pellets, vom vorherigen Kunden zu finden?
- Sonstige Auffälligkeiten/Qualitätsmängel?